Wo geht’s hier ins Metaverse?

In der neuen „Insight Snowsports Magazin“ – Ausgabe 2022 beleuchten Experten, welche Möglichkeiten „The Metaverse“ im virtuellen, 3-dimensionalen, interaktiven Raum im Wintersport eröffnen.

Unseren Beitrag finden Sie ab Seite 28.

Wo geht’s hier ins Metaverse?

Es ist in vielerlei Munde und doch können sich noch wenige vorstellen, was wirklich dahintersteckt: das Metaverse. Wir haben uns unter Insidern umgehört, welche Möglichkeiten diese virtuellen, dreidimensionalen, interaktiven Welten für den Wintersport auftischen.

Wer schon vor Mitte der 1990er-Jahre mit dem „Internet“ in Kon­takt war, weiß noch, dass deshalb in der breiten Masse keine Eksta­se-Stürme ausbrachen. Für einen Eindruck zur damaligen digitalen Welt reicht eine Google-Suche nach der einst trendigen „Apple Web­site 1994“. Mittlerweile ist klar, dass das Internet kam, um nie mehr zu gehen – zumindest, solange es Strom gibt. Ob wir das in 15 Jahren auch vom Metaverse sagen werden?

Was ist das denn überhaupt?

Der Begriff selbst wurde 1992 von Science-Fiction-Autor Neal Ste­phenson für seinen Roman „Snow Crash“ kreiert. Dabei beschreibt er „einen auf virtueller Realität basierenden Nachfolger des Internets“ – was, im Nachhinein betrachtet, mega-visionär ist, weil er in dem Buch auch noch den Begriff  „Avatar“ als digitales Abbild oder Fantasiewe­sen „erfunden“ hat. Die heute landläufige Definition des Metaverse lautet: „ein digitaler Raum, der durch das Zusammenwirken virtueller, erweiterter und physischer Realität entsteht.“

„In der Praxis gibt es das Metaverse nicht, sondern viele unterschied­liche Versuche, wie man virtuelle Welten dreidimensional erlebbar macht“,

erklärt Gilberto Loacker, Chairman der Alturos Destinations AG und Kopf der digitalen Tourismus-Plattform Skiline®. „In erster Linie ist es also ein Oberbegriff, ein Hype-Wort, das von Mark Zucker­berg aufgegriffen wurde – was das Ganze natürlich voranbringen kann.“ Denn neben Facebook (dessen Mutterkonzern nicht zufällig in Meta umbenannt wurde) basteln auch Microsoft, Amazon, Google oder Computerspiel-Firmen wie Epic Games (bekannt für Fortnite) an eigenen Metaversen oder kaufen entsprechende Entwickler auf. Die bekanntesten Plattformen zurzeit heißen Roblox, The Sandbox oder Decentraland.

Loacker war von 1998 bis 2003 als Co-Founder von Start-ups im Silicon Valley tätig und experimentiert seither mit Virtual und Aug­mented Reality (sprich: VR und AR, also virtueller und erweiterter Realität). „Wir haben schon vor zehn Jahren VR- und AR-Games ent­wickelt, aber diese waren nicht marktreif und nicht für unseren Zweck geeignet.“ Er meint damit den Netzen für Skiline® (mit Hauptsitz in Klagenfurt), das heute die größte Wintersport Community der Welt darstellt und in mehr als 350 Skigebieten Features wie Höhenmeter­service, Skimovie, Speedcheck oder Photopoint bietet.

Das Thema Metaverse verfolgt Loacker klarerweise mit großem Inte­resse. „Auch heute ist die breite Masse noch nicht ready dafür, denn die Geräte wie VA-Brillen sind zu groß, zu klobig und zu teuer. Die sehr gute Hololens von Microsoft etwa hat einen Einstiegspreis von fast 4.000 Euro.“ Zusatz: „Ein Entwicklungssprung in der Hardware könnte jedoch zu einem richtigen Boost führen – vielleicht durch eine revolutionäre Brille wie „Apple Glass“, die ja in Entwicklung ist. Daraus könnte sich – wie damals mit dem iPhone – eine hohe Akzeptanz mit einer Vielzahl an Anwendungen ergeben.“

Ein 3-D-Raum mit eigenem Geld

Einer, der sich auch intensiv mit dem Metaverse beschäftigt, ist Hans-Willy Brackes, Gründer und Geschäftsführer des Schweizer ESB Marketing Netzwerks. Als Veranstalter von Kongressen im Sport-, Sponsoring und Markenbereich fokussiert er sich neuerdings ver­stärkt auf den hippen Trend.

„Das Metaverse ist der populäre Begriff für das Web 3.0 – was die logische Weiterentwicklung des Web 2.0 bedeutet, also von Social Media, wodurch wir ja alle zum Medium und Konsument gleichzeitig geworden sind“,

so Brockes. Das Beson­dere daran sei, dass man nun den dreidimensionalen Raum erobere. „Im Gaming-Bereich ist das längst Alltag, auch die Verwendung von VA-Brillen – und das wird sich mit Sicherheit durchsetzen.“

Aber das Metaverse biete noch einen weiteren wesentlichen Faktor, erklärt Brackes: „Der wahre Gamechanger ist, dass sich durch Block­chain-Technologien die Eigentumsverhältnisse fixieren, nachweisen, speichern und fälschungssicher machen lassen. Darauf basierend entstehen durch „Token“ wie NFT eigene Währungs-, Belohnungs- und Entgelt-Räu­me. „Auch wenn sich vieles davon noch im Entwicklungsstadium befinde, ist Brackes zuversichtlich, dass kein Weg an diesem Trend vorbeiführe – nur wohin wisse halt nie­mand: .Das Metaverse ist eine Art virtuelle Zwillingswelt, die mal spielerisch ist und mal der Realität sehr nahekommt. Daher werden jene Anwendungen am erfolgreichsten sein, wo die Vermischung von real und virtuell sinnvoll ist.· Wie er sich das für den Winter­sport vorstellt – von Tourismus über Handel bis zum Skilehrwesen -, ist in der Auflistung auf Seite 32 zu sehen.

Das Metaquartier mitten in Wien

Gerald Stöllnberger arbeitet mit seiner Wiener Digital-Agentur 360° Perspektiven ebenfalls schon seit vielen Jahren mit der Aufbereitung von digitalem Content in unter­schiedlichen Formen – zuletzt verstärkt auch im dreidimensionalen Raum. Deshalb hat er im Museumsquartier-Wien einen neuen Geschäftsbereich mit Experience Area ge­gründet, den er ,Metaquartier‘ nennt.

Das Metaverse wird ein neues Medium mit ganz neuen Regeln. Standards und Best-Practices sind aktuell noch nicht klar. Auf jeden Fall ist es eine Riesenchance, vergleichbar mit der Erfindung des Buchdrucks und des Inter­nets. Das frühe Einbinden der Technologien (Web3, 3D, NFT, Blockchains … ), Tools und Möglichkeiten sind wichtig für den langfristi­gen Erfolg. Unser Ansatz dazu für Unterneh­men: „Think big, start small, scale fast!“

Stöllnberger hat viel Erfahrung im Tourismus und erstellt mit seinem Team etwa 360°-Prä­sentationen für zahlreiche Regionen wie das Salzkammergut. Diese bestehen aus hoch­wertigen 360°-Panoramen, in der sich Men­schen intuitiv, interaktiv und in 360° durch verschiedene Szenen und lnteressensberei­che klicken können.

„Durch die Integration von Videos, Bildern, Musik, Sprecherstimmen und eine Vielzahl an Informationen wird die virtu­elle 360°-Tour zu einem multimedialen und aufregenden Erlebnis, das einen bleibenden Eindruck beim Betrachter hinterlässt“·

erklä­ren die Entwickler. Das Highlight seien Live­guided-Touren, in der man die Kunden und Gäste eigenständig durch 360°-Szenen und in direkter Kommunikation in Echtzeit durch die­se Welten „beamen“ könne. Im Metaverse ist dann auch direkte Live-Kommunikation und Interaktion mit Avataren & Co möglich.

Bei Nebel die richtige Linie

Trotz des großen Hypes um das Metaverse bleibt Stöllnberger am Boden der Realität. „Viele Unternehmen sind keine Start-ups, die fremdfinanziert mit ein paar Millionen Euro herumprobieren können, sondern suchen machbare Lösungen. Wir sehen uns als di­gitalen Generalunternehmer im dreidimen­sionalen realen, digitalen und virtuellen Raum. Wir screenen den Markt und die technischen Möglichkeiten und unterstützen bei den ers­ten Schritten ins Metaverse, entwickeln realis­tische und umsetzbare Use-Cases und zeigen auf, was Sinn machen könnte und was (noch) nicht.“

Um das Ganze auf den Wintertourismus um­zulegen:

„In naher Zukunft geht es darum, Firmen für das Metaverse fit zu machen und erste Anwendungen zu entwickeln. auf die man aufbauen kann – das ist ein „running progress“. Ein Beispiel könnte ein virtuelles Ski-Onboarding für eine Region sein, an dem Seilbahnen, Touristiker, Händler, Ausrüster, Skilehrer beteiligt sind – und diese Welt baut man Etage für Etage auf.“

„Das Metaverse wird ein digitaler Layer über die echte Welt“, meint Stöllnberger und prä­sentiert eine mögliche, künftige Anwendung. Zuhause hole ich mir mittels VR-Brille digi­tal Inspirationen, welche Region/Piste ich kennenlernen möchte. Ein Avatar unterstützt mich, die Region näher digital zu entdecken. Beim Skifahren habe ich dann eine Brille mit AR- und VR-Funktion auf. Dabei werden mir live Infos über das 5- oder 6-G-Netz einge­spielt – was dann halt Standard ist. Wenn jetzt zum Beispiel dichter Nebel ist, kann ich mit der AR-Funktion sehen, wo die blaue Pis­te weggeht, und das wird auch noch durch eine Audio-Eingabe unterstützt. Und wenn ich stehenbleibe und die VR-Funktion der Brille aktiviere, sehe ich das gesamte Gelän­de, wie es sich im Sommer darstellt – weil eine Panorama-Funktion mit Bildern einge­baut ist.“

Das reale Erlebnis ist Premium

Auch auf Seiten der Touristiker ist man sich über die tiefgreifenden Veränderungen durch die Digitalisierung bewusst, wie Leo Bauern­berger, Geschäftsführer Salzburgerland Tourismus, betont: „Umso wichtiger ist es uns als Landestourismusorganisation, hier immer wieder Innovationsstärke vorzuleben und das Salzburgerland, seine Regionen so­wie Gastgeberinnen und Gastgeber bei der Digitalisierung aktiv voranzubringen.“ Mit der Entwicklung eines „Touristischen Knowledge Graphen“ hat man 2019 sogar den Staats­preis für Digitalisierung in der Kategorie Künstliche Intelligenz gewonnen. Mit diesem Informationsmanagement über digitale As­sistenten wie Google, Siri oder Alexa können Gäste, die während ihres Urlaubs oder auch schon im Vorfeld nach Infos suchen, noch schneller und genauer mit den perfekten In­halten bedient werden. „Dementsprechend beobachten unsere Ex­pertinnen und Experten natürlich auch den aktuellen Trend rund um Metaverse sehr ge­nau und analysieren Chancen und Herausfor­derungen“, so Bauernberger. Wichtig dabei sei, dass der Nutzen für den Gast an oberster Stel­le stehe. „Unsere tiefe Überzeugung ist, dass nichts über dem emotionalen, echten Erlebnis am Urlaubsort stehen kann: die herzliche Be­grüßung der Gastgeber, das Freiheitsgefühl am Berg oder die bewegende Stimmung bei einem Konzert- oder Theaterbesuch in der Stadt Salzburg – das kann keine künstliche Intelligenz je vollends ersetzen.“

 

Text: Martin Obermayr Bild Shutterstock, 360 Perspektiven Gmbh

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